Gerade lese ich in Focus 17/2006 über ein neues Buch aus dem Hause mvg, das im deutschen Titel mit „Denken Sie negativ“ beginnt. Der Autor, ein hawaiianischer Therapeut namens Paul Pearsall, behauptet dass sein Buch Das letzte Selbsthilfebuch sei, das man jemals brauchen würde“ (so ähnlich auch der Originaltitel).
Er verurteilt alles positive Denken mit der Begründung, dass ein nicht erreichen der Erwartungen eine tiefe Krise bedeutete. Seine Beweise holt er sich dabei genau so, wie er sie den positiven Denkern vorwirft.
Natürlich will er – das ist offensichtlich – provozieren. Und sicherlich – das ist vermutlich so – ist seine These auch nicht gänzlich falsch. Dazu zwei Aspekte von meiner Seite, ein inhaltlicher und einer der mit diesem Blog sehr viel zu tun hat:
1. Aspekt
Bei seinen Thesen und Ratschläge wie „Seien Sie Pessimist, negativ zu denken ist einfacher und natürlicher“ oder „Glauben Sie nicht an sich, Sie können nicht alles schaffen.“ stellen sich mir die Nackenhaare auf. Stellen Sie sich vor, Sie würden tatsächlich nicht mehr an sich und nur noch negativ denken. Die Folgen erlebe ich häufig: mangelndes Selbstwertgefühl, Selbstaufgabe, Hoffnungslosigkeit, Depressionen.
Würde er gegen Überschätzung der eigenen Fähigkeiten oder gegen übertriebenes positives Denken wettern, sähe die Sache anders aus. Doch er kehrt es ja ins komplette Gegenteil um. Seine Beweise sind sein eigener Sieg über einen Krebs, bei dem er entgegen aller Ratschläge die Hoffnung aufgegeben hatte und trotzdem überlebt hat. Gleichzeitig bemängelt er die seiner Meinung nach unzureichende Beweisführung für die Kraft und Wirkungsweise des positiven Denkens. Erstaunlich, oder?
Doch wie das so ist: Ist etwas erfolgreich, dauert es nicht lange und es kommt jemand an es zu kritisieren. Oder wie hier ins Gegenteil umzukehren. Gegen Zeitmanagement gab es die Entdeckung der Langsamkeit, gegen aerobes Joggen gab es auspowerndes Sprinten und gegen Rohkost gab es Eiweiß-Diäten.
Und jeder, der einmal seine Ziele verfehlte ist ein potentielles Opfer für diese oftmals lediglich Wichtigtuer.
Wobei mir anzumerken bleibt, dass positives Denken von Pearsall auch offensichtlich falsch verstanden wurde. Denn positives Denken bedeutet nicht „ich schaffe alles“ oder „ich bin der Größte“, es bedeutet in jeder Sache die zwei Seiten der Medaille zu betrachten und das Beste daraus zu machen. Und es bedeutet sich selbst das beste zuzutrauen, anstatt – wegen eines möglichen Scheiterns – ganz auf die Chance zu verzichten.
Nähme ich an, der Autor denkt tatsächlich negativ, hätte er ja das Buch nicht schreiben können. Denn in seiner Konsequenz hätte er ja gar nicht an Veröffentlichung und Verkauf des Buches glauben dürfen. Wozu es dann schreiben?
Der zweite Aspekt folgt in einem separaten Eintrag unter einer anderen Kategorie.
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