Es gibt ja (auch bayerische!) Politiker, die es einfach nicht schaffen, sich die typische Oberlehrer-Geste abzugewöhnen. Der erhobene Finger, das ist jedem klar, ist unangebracht. Natürlich passiert das unsereins nicht, das machen nur Politiker — und eben Oberlehrer. Oder?
Abgesehen davon, dass uns täglich Menschen begegnen, die den erhobenen Zeigefinger meist unbewusst einsetzen. Das sind neben Politikern ganz normale Mitmenschen, die damit ihre Aussagen bekräftigen wollen. Denn es scheint tatsächlich die Geste dafür zu sein, schliesslich wird sie einheitlich verwendet.
Es sind wohl eher die Erinnerungen an die unangenehme Dominanz der eigenen Lehrer, die uns selbst in die ohnmächtigen Schranken des kleinen Schülers zurückversetzen. Es ist wohl eher die Perspektive des vor einem stehenden Lehrers mit all seiner Übergröße von mindestens einem Meter Höhe. Und es ist wohl eher diese Übermacht an Wissen, die uns selbst klein erscheinen lässt. Und das ist es wohl am meisten, was wir nicht ausstehen können: wir selbst fühlen uns klein dabei, klein an Macht, klein an Körpergröße und klein an Wissen.
Doch wollen diejenigen, die den Finger zur dominanten Geste erheben, das tatsächlich? Wollen Sie tatsächlich dominant, übermächtig groß und allwissend erscheinen? Nein, sie wollen den Inhalt, nicht die Person, mit der Geste betonen. Doch was ankommt — also was wirkt — ist eben ein Gefühl von Unterlegenheit.
Dabei passiert es leichter als es uns lieb ist. Und — das kommt erschwerend hinzu — selbst ein ausgestreckter aber nicht auf uns gerichteter Zeigefinger löst das Gefühl oft schon aus. Das bedeutet Fingerzeige nach oben wirken ebenso unsympathisch wie die auf ein Flip-Chart oder auf eine andere Person.
Doch es gibt eine einfache Lösung, die nichts anderes ist als eine Gewöhnung: nehmen Sie einfach die flache Hand mit der Handfläche nach oben oder zum Betrachter. Eine derartig offene Geste wirkt deutlich sympathischer, ja sogar einladend freundlich. Und das funktioniert sowohl beim Zeigen auf Punkte auf dem Flip-Chart wie auch beim Zeigen auf andere Menschen (sofern das überhaupt nötig ist).
Ob sie damit jedoch Ihre Aussagen ähnlich unterstreichen sollten, wie mit dem erhobenen Zeigefinger, wage ich jedoch zu bezweifeln. Es gibt keine Ersatzgeste für den erhobenen Zeigefinger. Denn Ihre Aussage machen Sie nicht durch einen Fingerzeig bedeutsam. Doch durch Ihre gesamte persönliche Wirkung können Sie eine kompetente, glaubhafte und doch sympathische Wirkung erzeugen. Ihre innere Haltung, Ihre authentische Körpersprache und Ihre kräftige Stimme unterstreichen mit Ihrer Persönlichkeit, das, was ein Finger alleine bestimmt nicht kann.
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