Führungsqualitäten braucht heute fast jeder. Vor einigen Jahren hatte ich mit einem Kunden von mir eine Besprechung, bei der ich ein Telefonat mitbekam. Der Kunde war ein im Textilgeschäft schnell reich gewordener Mann, der in dem Telefonat mit einer Spedition über eine kurzfristige Lieferung verhandelte.
Freilich hörte ich nur, was mein Kunde sagte. Die Schwierigkeit bestand wohl in einer sehr kurzen Frist, die die Spedition nicht zusagen konnte. Der Kunde war wohl ein guter Kunde, sprich er beauftragte die Spedition sehr häufig. Dessen waren sich beide sicher bewusst. Doch nach kurzer Zeit reagierte der Kunde genervt, weil Sätze wie „Es ist mir egal, wie Sie das machen, doch die Lieferung muss bis dann und dann dort sein.“ offensichtlich nicht unwidersprochen blieben.
Nun schlug er härtere Töne an, bis schliesslich die Drohung gipfelte mit dem Satz „Wenn Sie keine Lösung finden war das Ihr letzter Auftrag von uns, es gibt andere Speditionen, die froh sind um jeden Auftrag.“
Ich fragte mich dabei, ob Führung im Ausspielen von Dominanz und Abhängigkeit besteht. Ich selbst habe es – auch wenn es nicht immer erfolgreich ist – immer auf meine persönliche Wirkung und Menschlichkeit verlassen (Abgesehen davon war ich nie in der Machtposition, dass ich mit Auftragsentzug drohen konnte). Lieferanten sind mir immer ebenso wichtig gewesen wie Kunden. Dazu habe ich nicht nach dem billigsten Angebot gehen können, das ist richtig. Doch wusste ich immer, dass ich mich immer auf Lieferanten verlassen konnte, wenn es einmal eng wurde. Wenn die menschliche Beziehung stimmt, kann man sich auf den Anderen verlassen. Ist ein Termin knapp, gilt es Fehler auszubaden oder geht es um einen ausnahmsweise niedrigeren Preis – bei guter Beziehung zum Lieferanten geht das.
Machtausübung oder Menschlichkeit – für mich ist es immer wichtig, dass man gemeinsam eine Lösung findet. Und die ist in der Menschlichkeit immer leichter zu finden. Deswegen zählt zu allererst Wertschätzung. Und Wertschätzung macht keinen Unterschied ob Kunde, von dem man etwas will — oder Lieferant, der von einem etwas will.
Und ähnlich ist es bei Führung: Sollten wir nicht mit der selben Wertschätzung, die wir unseren Vorgesetzten gegenüber aufbringen auch den unteren Rängen gegenüber aufbringen? Oder umgekehrt, denn ich beobachte häufig auch eine besonders geringe Wertschätzungen „denen da oben“ gegenüber.
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