Immer wieder höre ich von Teilnehmern, dass Sie in Seminaren von Kollegen waren und dort auch mal Anderes gehört haben. Vorgestern beispielsweise war jemand bei mir im Seminar, der vor ein paar Jahren ein Seminar einer Fernseh-Moderatorin besuchte. Dort habe er folgendes gelernt:
„Machen Sie die Gesten nicht zu groß! Halten Sie die Ellbogen dicht am Körper! Die Hände machen kleine Gesten nah am Körper. Halten Sie Ihren Kopf ruhig und ziehen Sie die Augenbrauen nicht nach oben, das macht Falten auf der Stirn.”
Ich lehre genau das Gegenteil. Auf einer Bühne können die Gesten nicht groß genug sein, solange sie ruhig und passend sind. Mimik ist ein wichtiger Faktor für Emotionen und Glaubwürdigkeit und „angetackerte“ Ellbogen sehen eher spastisch aus. Hat die Kollegin unrecht? Nein, denn im Fernsehen gelten andere Regeln. Doch sollte sie das beachten, wenn sie Seminare für Live-Präsentationen gibt. Der Fernseh-Moderator sitzt in einer Box und wird umrahmt von den Rändern des Bildschirms. Womöglich sind seine Beine abgeschnitten und die Kamera so eingestellt, dass er erst vom Bauch aufwärts zu sehen ist. Würde dieser Moderator jetzt große Gesten machen, wären seine Hände außerhalb des Bildes. Das ist einer der Gründe, warum im Fernsehen kleine Gesten sogar wichtig sind.
Das Zweite ist die wahrgenommen Nähe des Fernsehzuschauers. Bei einer Präsentation vor realem Publikum, womöglich auf einer Bühne, ist die Entfernung größer, als die gefühlte Entfernung beim Fernsehen. Deshalb sind vor lebendigem Publikum große, deutlich sichtbare Gesten und eine ebenso deutlich erkennbare Mimik so wichtig.
Wenn Sie genau beobachten, können Sie sogar den Stil einzelner Sender erkennen. RTL II hatte vor einiger Zeit absolut regungslose Nachrichtensprecherinnen, die nicht einmal den Blick, die Kopfhaltung oder ähnliches verändern durften. Die einzig erkennbare Bewegung war ein einstudiertes Heben der Augenbrauen nach jedem Satz. Da die Sprecherinnen alle sehr jung waren, entstanden noch keine Falten. RTL II hat dieses steif und manieriert wirkende Gehabe mittlerweile verändert.
Von anderen Teilnehmern habe ich gehört, es sei Ihnen empfohlen worden, einen Stift in die Hand zu nehmen. Einer der Gründe lautete wohl, sich damit zu beruhigen und hektische Gesten zu vermeiden. Auch hier gebe ich die gegenteilige Empfehlung. Ein Stift wird erstens schnell zum Ersatz-Zeigefinger, der Richtung Publikum deutet. Er verleitet zum unruhigen Spielen. Des weiteren hemmt jeder Gegenstand in der Hand — auch Moderationskarten, Fernbedienung etc. — die Bewegungen der Gestik. Dass diese nicht hektisch sein sollen, stimme ich zu. Es ist eine Sache der Übung seine Gestik ruhig und gezielt einzusetzen. Ein Präsentator, Moderator oder Redner, der keine oder zu kleine Gesten macht, wirkt langweilig, unsicher und wenig emotional. Das Publikum braucht diese Gesten um besser zu verstehen, um von der Glaubwürdigkeit überzeugt zu werden und um leichter zu memorieren.
Eine Fernbedienung für den Computer halte ich auch oft in Händen. Ich achte jedoch sehr darauf, dass diese so klein wie möglich ist und ich trotz Fernbedienung meine Körpersprache aussagekräftig einsetze.
Präsentatoren im Fernsehen setzen häufig Moderationskarten ein. Hier dient es tatsächlich — neben der eigentlichen Notiz-Funktion — dazu, die Gesten klein und ruhig zu halten oder gar zu vermeiden. Der Fernseh-Moderator lebt eben eingerahmt in der Box.
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