Als „Toastmaster“ habe ich neulich eine Rede über meine (schwachen) handwerklichen Fähigkeiten gegeben. Die Resonanz war hervorragend. Warum?
Die siebenminütige Rede über eine Wochenend-Aktion: „An Odyssey in White“ handelte davon, wie ich die Holzdecke meines Büros weiß gestrichen habe. Warum sollte das nun Andere interessieren und wieso habe ich so positives Feedback von meinem Klubkameraden erhalten?
- Ich konnte mit dem Thema zum Publikum eine Verbindung herstellen. Viele haben selbst schon einmal etwas in der Wohnung gestrichen. Sie konnten sich in die Situation hineinversetzen.
- Ich habe eine Geschichte erzählt, statt über Fakten zu sprechen oder über Abläufe zu berichten. Geschichten erreichen die Menschen leichter, denn sie lassen Bilder und Gefühle entstehen.
- Ich habe persönliches von mir preisgegeben. Ich habe auch drüber gesprochen, was ich nicht kann, wie ich mit mir gerungen habe, die Decke weiß zu streichen und wie ich es letztlich mit Anstrengung geschafft habe. Dadurch konnten die Zuhörer zu mir eine Verbindung aufbauen und hatten nicht das Gefühl, dass ich mich über sie stelle.
- Die Erzählung entsprach einer Reise von einem Problem über eine Entwicklung hin zu einer Lösung, bei der ich letztendlich, quasi als der Held, die Schlüsselrolle spielte. So entsteht eine sympathische Form des Helden.
- Mit Humor und Selbstironie konnte ich zusätzlich Emotionen aufbauen und das Publikum zum Lachen bewegen. Auch als ich meine Höhenangst thematisierte konnten viele mitfühlen. Emotionen sorgen für eine intensivere Aufnahme des Gehörten.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Fachpublikum vor sich und füttern dieses mit Zahlen, Daten und Fakten. Sie erwarten, dass diese sich merken, was Sie ihnen sagen. Dann schließlich handelt es sich um wichtige Informationen. Doch sind Sie sicher, dass alles hängen bleibt? Ich brauche kein Hellseher sein, um zu wissen, dass dies unmöglich ist. Stellen Sie sich dagegen vor, Sie erzählen eine Geschichte, in der all die Zahlen, Daten und Fakten enthalten sind. Sie werden überrascht sein, wie viel nun gemerkt wird. Zudem brauchen Sie vermutlich nicht einmal diese Zahlen und erreichen trotzdem eine größere Wirkung. Ein Beispiel:
Version 1: „Meine Damen und Herren, ich habe eben die aktuellen Zahlen vom Qualitätsmanagement erhalten. Es sieht nicht gut aus. Wir haben zwar eine sehr niedrige Ausfallrate von nur 3,2 Prozent, doch liegt diese noch deutlich über dem Soll von 2,1 Prozent. Das sind 1,1 Prozent — oder anders gesagt müssen wir noch um ein Drittel weniger Ausfälle haben. Ich hoffe, meine Damen und Herren, wir können bis Ende des Jahres hier noch einiges bewegen. Ich bitte Sie konstruktive Vorschläge auszuarbeiten und mir bis nächste Woche vorzulegen. Ich werde Ende nächster Woche einen Workshop ansetzen, um … bla bla bla.“
Version 2: „Stellen Sie sich vor, ein junges Mädchen hat von Ihrem Vater zum Abitur eines unserer Modelle bekommen. Der Wagen hat nun 20.000 km drauf und sie hatte keinerlei Probleme. Heute ist sie auf der Autobahn unterwegs. 130 Stundenkilometer. Es ist mittlerer Verkehr und sie fährt von München, wo sie studiert, nach Regensburg. Übers Wochenende nach Hause zu ihren Eltern. Plötzlich Stau hinter einer Kurve. Sie reagiert schnell, bremst. Sie steigt voll auf die Bremse. Die Autos stehen nur kurz vor ihr. Die Verzögerung ist zu gering. Sie drückt stärker auf die Bremse. Doch ihr Auto verzögert nur langsam. … Später wird man herausfinden, dass eine falsch fixierte Spurstange die Ursache war. … Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Ihre Tochter kommt am Wochenende nicht mehr nach Hause …“
Sicherlich ist die zweite Variante drastisch. Sie erzeugt Emotionen, macht betroffen. Doch was denken Sie, mit welcher Variante Sie die 2,1 Prozent bis Ende des Jahres erreichen? Der zweite Redner hatte die Prozentzahlen nicht einmal erwähnt. Eine wirkungsvolle Geschichte, die Emotionen erzeugt, die die Menschen berührt und mit einbezieht — jedem könnte dies widerfahren — erreicht die Menschen nachhaltig. Zahlen, Daten und Fakten sind dazu zu wenig greifbar. Wer es versteht durch Geschichten zu kommunizieren, schafft es, dass die Menschen zuhören, schafft es, die Menschen zu berühren und schafft es, dass die Menschen die Botschaft aufnehmen und handeln.
Ob meine Erzählung über mein Handwerksprojekt oder eine Rede über Qualität, die Menschen hören Geschichten immer aufmerksamer. Versuchen Sie es.
Wie ich schon früher berichtet habe, bin ich Mitglied bei Toastmasters International. Dies ist ein rund 80 Jahre alter Rednerklub, den es über 11.000 mal weltweit gibt. Mitglieder sind Menschen aus allen Berufen und Bereichen, die Spaß daran haben, Reden zu halten — oder es üben wollen. Nachdem ich früher in einem deutschsprachigen Klub in München Mitglied war, bin ich seit Februar bei den Munich Prostmasters, einem englischsprachigen Club. Dort nehmen Menschen aus den verschiedensten Nationen teil, manche auch, um ihr Englisch zu verbessern. Ich empfehle meinen Teilnehmern Toastmasters International als Ergänzung zu Seminaren als Möglichkeit regelmässig zu üben.
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