Im ersten Teil habe ich Ihnen Möglichkeiten und Fallstricke von Notizen aufgezeigt. Diesmal geht es darum, wie Sie die Situation meistern, wenn Sie keine Notizen haben. Denn es kann immer mal passieren, dass Sie den Faden verlieren. Doch die Angst davor ist meist schlimmer als die eigentliche Situation. Was also tun?
Je besser Sie üben …
Ich empfehle grundsätzlich jede Rede oder Präsentation vorher etliche Male zu üben, und zwar komplett zu verbalisieren. Das heißt, Sie üben sie in voller Lautstärke und so, als säße Ihr Publikum bereits vor Ihnen. Nach fünf bei zehn Durchgängen haben Sie in der Regel Ihren Text sicher. Empfinden Sie Stress, sobald Publikum vor Ihnen sitzt, kann es trotzdem zu Aussetzern kommen.
Die Frage, die mir Seminarteilnehmer immer wieder stellen ist: „Wie kann ich Texte wörtlich lernen?“ Denn wer einen Text ausgefeilt hat, Formulierungen mehrmals geändert hat, bis sie sitzen, der möchte diese textliche Wirkung gerne mit in die Reden nehmen. Das Problem dabei: auswendig lernen fällt vielen schwer, ist langwierig und das Ergebnis oft hölzern. Selbst viele Regisseure und Schauspieler arbeiten heute nicht mehr mit wörtlichen Texten, sondern arbeiten in der Szene an einer guten Wirkung. Üben Sie deswegen Ihre Rede locker am Text, also variieren Sie ihn immer wieder. Speichern Sie eher den Sinn und die Struktur ab, als jeden einzelnen Satz. Wenn professionelle Redner trotzdem immer den exakt selben Text sprechen hat dies einen anderen Grund: Wird dieser so oft wiederholt, und dies vor Publikum, dann schafft der Redner das, ohne dass es hölzern wirkt. Zudem weiß er dann, welche Formulierungen welche Wirkung erzeugen. Dies gelingt aber oft erst nach mehrmaligem Sprechen vor Publikum.
Ihr Verhalten entscheidet die Situation
Ist der Faden erst einmal gerissen, kommt es darauf an, dass Sie sich richtig verhalten. Ruhe bewahren ist zwar leichter gesagt als getan, doch tun Sie zumindest so, als ob Sie ruhig sind. Entschuldigen Sie sich nicht, denn das richtet erst den Fokus darauf, dass etwas anders läuft als geplant. Ihr Publikum weiß nicht, wenn Sie etwas anderes sagen werden, als geplant, da nur Sie ihr Vorhaben kennen. Das zweite ist, dass Sie Zeit gewinnen. Zeit, die Sie brauchen, um sich zu erinnern oder einen Plan B auszudenken.
Vielleicht beruhigt es Sie zu wissen, dass sich selten ein Publikum beschwert, wenn Ihnen der Faden reißt. Vielmehr fühlt es mit Ihnen mit. Bevor es Ihnen selbst peinlich wird, fühlen Ihre Gäste dies längst für Sie. So lange Sie nicht alle paar Minuten einen Aussetzer haben, hat jedes Publikum Verständnis, wenn Ihnen der Faden reißt. Kein Grund also, Panik zu bekommen.
Zeit gewinnen
Um eine textliche Lücke zu überwinden, hilft es Ihnen, wenn Sie Zeit gewinnen. In dieser Zeit können Sie nachdenken und so Ihren Faden wieder finden. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Sprechpause: Machen Sie einfach eine Pause. Die Folge wird sein, dass die Aufmerksamkeit Ihres Publikums steigt — es meint, Sie wollen etwas besonders betonen und bauen Spannung auf.
- Wiederholen: Oft haben Sie noch den Klang des letzten Satzes im Ohr. Wiederholen Sie Ihn und Sie werden sehen, wie schnell Sie dadurch wieder den Anschluss bekommen.
- Zusammenfassen: Haben Sie den letzten Satz nicht mehr, so fassen Sie die letzten Minuten zusammen. Auch so gewinnen Sie Zeit und verschaffen sich auch bei Ihren eigenen Gedanken eine Übersicht.
- Fragen: Fragen Sie das Publikum nach Fragen. So denken die Zuhörer nach und Sie gewinnen Zeit.
- Nächstes Thema: Gehen Sie über zum nächsten Punkt Ihrer Struktur. Keiner weiß, wenn Sie etwas auslassen. Wäre es wichtig gewesen, können Sie es später, an passender Stelle, nachschieben.
- Zugeben: Sie können es auch ganz einfach sagen, dass Sie den Anschluss verpasst haben. Keiner wird Ihnen das übel nehmen. Es kann Sie sogar menschlicher machen, denn kleine Fehler lieben die Menschen an anderen.
Alles in allem ist es meist eher die Angst davor, den Faden zu verlieren. Sind Sie in der Situation haben Sie nun eine Menge Möglichkeiten angemessen zu reagieren. Natürlich unterstützt Sie Erfahrung darin, gelassen und mit der richtigen Variante zu reagieren. Doch akzeptiert es normalerweise jeder, wenn Sie mal einen kleinen Aussetzer haben.
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