Sie geben eine freie Rede, haben Sie ausgefeilt und einstudiert und dann — Faden verloren? Sie stocken, das Publikum merkt es bereits und Ihre Verzweiflung wird größer? Insbesondere wenn Sie einen Text besonders ausgefeilt haben, wollen Sie diese Formulierung beibehalten und möglichst wörtlich wiedergeben. Und dann dieser Aussetzer!
Ob Ihnen das schon passiert ist oder noch nicht — vor dieser Situation haben Anfänger und erfahrene Redner Angst. Denken Sie dann sofort an Notizen? Ja, das ist eine Möglichkeit, doch nicht immer die Beste. In diesem Teil erfahren Sie dennoch alles über Notizen, in einem zweiten Teil erfahren Sie Möglichkeiten diese Situation zu meistern, ohne Notizen einzusetzen.
Welche Möglichkeiten haben Sie?
Bei Notizen denken Sie vielleicht an Rednerpult mit Manuskript, wie wir das von Politikern kennen. Oder an Moderationskarten in Ihrer Hand, wie dies im Fernsehen oft zu sehen ist. Eine der am häufigsten gewählten Arten ist es, die PowerPoint-Präsentation als Notizen zu verwenden, besser jedoch die Notizfunktion. Und schließlich bleibt noch der Teleprompter, wie er in Nachrichtensendungen aber auch vielen Talkshows verwendet wird. Ein Teleprompter ist ein Bildschirm, auf dem — nur für den Sprecher sichtbar — der Text mitläuft.
Was sind die Nachteile von Notizen?
Einige der Methoden haben gravierende Nachteile. So bildet beispielsweise ein Rednerpult eine deutliche Barriere zwischen Ihnen und Ihrem Publikum und schränkt die Sicht auf Sie ein. Andere, wie der Teleprompter, ist mit entsprechendem Aufwand verbunden. Allen gemeinsam ist, dass Sie beim Lesen stets den Blick vom Publikum abwenden müssen und so den Kontakt verlieren. Hinzu kommt, dass womöglich eine Brille nötig wird oder das Lesen sehr anstrengend sein kann. Außerdem neigen viele Redner dazu, in die Notizen zu blicken, obwohl Sie überhaupt nicht lesen. Es ist eher ein unbewusst ausweichender Blick, um dem Zuhörer nicht in die Augen sehen zu müssen. Schauen wir uns also die einzelnen Möglichkeiten genauer an.
Manuskript und Rednerpult
Ein Pult stellt eine große Barriere dar. Sie stehen dahinter, sind den Blicken des Publikums weitgehend entzogen, können die Bühne nicht mehr nutzen. Zudem werden Sie Ihre Gestik nur eingeschränkt einsetzen. Alleine das sind Gründe genug, auf ein Rednerpult generell zu verzichten. Wenn Politiker dies tun, hat dies meist andere Gründe — und manchen mögen auch mal auf Sie zutreffen: Ein einzelnes Mikrophon am Revers oder als Headset reicht nicht, da mehrere Presseorgane ihre installieren möchten oder die Redner häufig wechseln. So wird das Rednerpult auch als Mikrophonständer genutzt. Die Fixierung auf den Platz hinterm Pult kann auch mit einer Kameraeinstellung zu tun haben. Politiker kennen zudem oft Ihre Reden vorher nicht genau, sie wurden von jemand anderem geschrieben. So bleibt nur die Möglichkeit, diese abzulesen. Bei Politikern oder Vorständen sind zudem manche Formulierungen so entscheidend, dass sie vorher lange von einem Beraterteam ausgefeilt wurden. Stellen Sie sich nur vor, Herr Löscher, Vorstandsvorsitzender von Siemens, würde beiläufig in einem Nebensatz etwas Unbeabsichtigtes sagen: der Aktienkurs könnte sofort reagieren.
Bleibt Ihnen dennoch nur das Rednerpult, schreiben Sie Ihr Manuskript extragroß (mindestens 15 Punkt und großer Zeilenabstand), markieren Sie sich Betonungen und erlernen Sie das Vorlesen. Denn eine abgelesene Rede so zu halten, dass sie noch lebendig bleibt, ist eine extra schwierige Kunst und bedarf viel Trainings. Ihr Blickkontakt muss während dem Sprechen zum Publikum gerichtet sein, Sie lesen nur in den Pausen zwischen den Sätzen. Ihre Körpersprache darf nicht aussetzen. Das schlimmste Beispiel erlebte ich in den Achtziger, als große Schulterpolster modern waren. Ein Redner hatte sich mit beiden Armen seitlich aufs Pult gestützt wodurch seine Ärmel so nach oben rutschten, dass seine Schulterpolster schon wie Ohrenschützer wirkten.
Und Politkern nicht nur passiert es immer wieder: der Zeigefinger wird gerade am Rednerpult erhoben und so zu einer unangenehmen und arrogant wirkenden Geste.
Notizkarten in der Hand
Notizkarten stellen ebenfalls eine kleine Barriere dar, denn alles, was zwischen Ihnen und dem Publikum steht, schafft Distanz. Der größere Nachteil ist jedoch, dass Sie kaum noch Gestik machen werden, mit entsprechend langweiliger Wirkung auf Ihr Publikum. Im Fernsehen dienen Notizkarten anderen Zwecken: hier ist Gestik unerwünscht, schließlich agieren die Moderatoren in einem „Kasten“: Der Fernseher ist wie ein Rahmen, aus dem die Hände nicht seitlich verschwinden dürfen. Zudem kann so der Sender sein Logo auf der Rückseite platzieren. Übrigens blicken viele Moderatoren gar nicht auf die Karten — oder nur, um den Namen eines Gastes sicher richtig abzulesen.
Wenn Sie Notizen unbedingt benötigen, hier einige Tipps: Verwenden Sie nur Karten bis DIN A6, also Postkartengröße oder 10,5 x 14,8 cm. Es gibt beispielsweise farbige Karteikarten in dieser Größe, die auch stabil genug sind. Setzen Sie die Farben ein: sollten Sie Ihren Faden verlieren, finden Sie mit Farben die entsprechende Karte schneller, als mit Seitenzahlen oder Überschriften. Die Farben prägen sich beim Üben bereits in Ihr Unterbewusstsein ein.
Ein Desaster wäre es auch, wenn Ihnen die Karten herunter fallen. Wenn Sie womöglich ohnehin angespannt sind, wird es Sie vollkommen aus der Ruhe bringen, wenn die Karten wild verteilt auf dem Boden liegen. Dem können Sie vorbeugen, indem Sie Ihre Karten an einer Ecke lochen und mit einem Schlüsselring fixieren. Auch eine Spiralbindung ist bedingt geeignet. Nummerieren Sie trotzdem die Karten und schreiben Sie immer groß genug und nur in Stichworten. Nutzen Sie auch Farbe in der Schrift und Markierungen für Betonung.
Mein Experten-Tipp: nehmen Sie die Karten nicht die ganze Zeit in die Hand. Nutzen Sie sie nur in Situationen, in denen Sie tatsächlich nachsehen müssen. In der Hand gehalten, schränken Sie mit Karten Ihre Gestik ein und Sie werden häufiger darauf blicken, als notwendig. Männer können sie in der Regel dezent in die Hosentasche des Anzugs stecken. Wenn dies nicht geht — oder für Damen — legen Sie diese einfach seitlich ab. Es stört niemand, wenn Sie gezielt bei einem Hänger nachsehen gehen. Jeder Ihrer Zuhörer kennt die Situation einen Text oder Inhaltspunkt zu vergessen.
PowerPoint-Präsentation als Texthilfe
Bei Präsentationen kommt meist — im Gegensatz zur freien Rede — ohnehin ein Präsentationsprogramm zum Einsatz. Viele verwenden zu viel Text auf ihren Folien, um dadurch selbst Notizen zu haben. Dies ist generell falsch. Dazu werde ich demnächst einen Artikel hier veröffentlichen. Doch die Notizfunktion moderner PowerPoint-Versionen oder von anderen Programmen, wie Keynote (Apple), können hier helfen. Sie können sich dazu auf Ihrem Laptop oder MacBook zusätzliche Notizen anzeigen lassen, die Ihr Publikum bei der Projektion nicht sieht. Da Ihr Laptop in der Regel eine gewissen Entfernung zu Ihnen hat, schreiben Sie mindestens 22 Punkt groß und testen Sie vorher, ob Sie auch auf der Bühne Ihre Anmerkungen noch gut lesen können. Achten Sie darauf, dass Ihr Laptop so steht, dass Sie ihn gut ablesen können, er jedoch keine Barriere zwischen Ihnen und den Gästen darstellt.
Teleprompter ganz leicht selbst gemacht
Früher waren Teleprompter große schwarze Kästen, Monitore, die vor den Sprechern aufgebaut waren. Heute gibt es eine elegantere Variante, wie Sie sie vielleicht schon bei Reden amerikanischer Präsidenten gesehen haben: eine kleine, leicht getönte Scheibe steht vor dem Rednerpult. Diese ist so transparent, dass das Publikum sie kaum wahrnimmt und das Gefühl hat, Der Redner blickt ihnen direkt in die Augen. Und doch wird darauf der Text projiziert und der Redner liest ihn ab. Die selbe Technik kommt in Fernsehstudios zum Einsatz, wo die Scheibe direkt vor dem Kameraobjektiv montiert ist. Durch einen entsprechenden Winkel sieht nur der Moderator den Text (siehe Foto). Es entsteht der Eindruck, dass der Moderator in die Kamera blickt. Bei Obama ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen, dass die Kamera ihn von vorne aufnimmt und er stets nach links und rechts blickt — nie nach vorne. Seine Teleprompter stehen eben seitlich, auf dem Bild die Glasscheibe.
Nun werden die wenigsten von Ihnen einen derartig professionellen Teleprompter zur Verfügung haben. Es geht auch einfacher! Erstellen Sie eine Präsentation mit einer leeren Seite (weiß oder schwarz). Gehen Sie in die Masterfolie und entfernen Sie die Überschrift, ziehen statt dessen den Textrahmen auf die maximale Größe und färben Sie den Text entsprechend dem Hintergrund schwarz oder weiß. Stellen Sie eine sehr große Schrift ein, entfernen Sie ggf. die Aufzählungszeichen und Einzüge. Danach setzen Sie Ihren Text oder Ihre Stichworte in die Präsentation. Nun können Sie Ihren Laptop — ohne ihn an den Projektor anzuschliessen — vor sich aufstellen und mit Ihrer Fernbedienung weiter blättern. Ihr kleiner Teleprompter mit einfachsten Mitteln.
Im zweiten Teil zeige ich Ihnen einfache Möglichkeiten, ohne Notizen einen gerissenen Faden wieder zu flicken.
>>> Freie Rede – Text vergessen? (2. Teil)
>>> Brillen beeinflussen Ihre Wirkung
>>> Fangen Sie nicht mit PowerPoint an
hey, das ist nen guter beitrag und hat mir geholfen. danke dafür.
Kommentiert von: Flüge | 01. Februar 10 um 16:19 Uhr