Auch das noch: Wir Deutsche glauben nicht mehr an unsere Sprache! Oder genauer gesagt: wir glauben, dass immer weniger Deutsche unsere Sprache beherrschen. Das ergibt zumindest eine aktuelle Umfrage.
In einer von Focus veröffentlichten Liste nach einer von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Zusammenarbeit mit dem deutschen Sprachrat (uff!) wird das Ergebnis einer Umfrage veranschaulicht. So glauben nur wenige, dass die Sprache lebendiger geworden ist (18 %). Dafür umso mehr, dass bei der Verwendung von Fremdwörtern Unsicherheit herrscht (57 %) und dass zu viele Abkürzungen verwendet werden (73 %). Deshalb will auch die Hälfte der Deutschen unsere Sprache vor fremden Sprachen und Einflüssen schützen.
Da stellt sich mir die Frage: ist das möglich? Und: ist das sinnvoll? Als Bayern an der Seite Napoleons gekämpft hat (gegen die Preussen), haben viele französische Einflüsse die deutsche und bairische Sprache beeinflusst (damals tatsächlich bairisch und nicht bayrisch!). So gibt es Wörter wie Trottoir (Gehweg), Paraplui (Regenschirm), Potschamperl (Nachttopf), Portemonnaie (Geldbörse) und viele mehr noch heute. Andererseits ist heute die Flut von Fachausdrücken und neumodischen Bezeichnungen zu groß. Ältere Menschen oder ebene diejenigen, die nicht vom Fach sind, tun sich damit schwer. Der „Info-Point“ der Bahn ist da legendär.
Bei einer Rede gibt es auch im Publikum Zuhörer, die jedes Mal Energie aufwenden müssen, um einen Fachbegriff zu übersetzen. Das gilt auch dann, wenn er den Fachbegriff selbst ständig verwendet und er ihm geläufig ist. Jeder Arzt weiß, was eine Hypertonie ist — doch ist es für alle einfacher von Bluthochdruck zu sprechen. So entsteht automatisch ein Bild. Und diese Bilder brauchen weniger Energie und sind klarer und eindeutiger. Erst recht gilt das im Alltag. Manche glauben durch den häufigen Einsatz von Fachausdrücken, englischen Wörtern oder Abkürzungen ihre Kompetenz oder Lässigkeit darstellen zu müssen.
Mein Tipp: wo immer es geht das einfache, bildhafte, muttersprachliche Wort verwenden. Wo es wirklich nötig und für alle verständlich ist, den Fachausdruck. Andererseits halte ich einen — womöglich gesetzlichen — Schutz einer Sprache für ebenso unsinnig wie eine gesetzliche Rechtschreibreform dies war. Sprache lebt und verändert sich seit jeher. Doch erst nach langer Zeit wird ein Wort eingedeutscht für alle verständlich, so wie Chef, Ambiente und Limousine.
In unserer global agierenden Wirtschaft ist es ohnehin mehr und mehr nötig, eine einheitliche, für alle verständliche Sprache zu sprechen. Und das ist nunmal Englisch. Ob uns das passt oder nicht, spielt nicht die Rolle. Keine andere Sprache eignet sich dafür oder ist genug verbreitet. Natürlich ist es aus kultureller Sicht traurig, dass die Hälfte aller Sprachen und Dialekte in wenigen Jahren ausgestorben sein werden. Doch der Wettbewerb und die Kosten fordern eine einheitliche Sprache mehr denn je. Ich gebe auch in deutschen Firmen mehr und mehr englische Vorträge, da eben Teile der Zuhörerschaft kein oder nicht ausreichend deutsch verstehen.
Das Bild — der Turmbau zu Babel — symbolisiert ja das Entstehen der Sprachen und den daraus resultierenden Streit der Kulturen. Gäbe es eine Sprache, würden sich die Völker nicht so oft ausgrenzen und ablehnen.
In der genannten Umfrage denken weiterhin fast die Hälfte, dass sich viele weniger gut ausdrücken können, als vor 20, 30 Jahren (42 %). Dieses Phänomen kann ich zwar nicht als Trend erkennen — ich weiß einfach nicht, ob tatsächlich vor 20, 30 Jahren besser formuliert wurde oder wir uns das nur einbilden. Andererseits habe ich das Gefühl, dass viele sprechen ohne vorher den Satz zu Ende gedacht zu haben. Eine Folge der Alltags-Hektik? Vor allem aber ein Garant für Vortrags-Langeweile! Ein schlecht formulierter Satz erzeugt keine Wirkung. Der Gebrauch von Konjunktiven („Ich möchte mich bedanken …“) oder negativen Schlagwörtern („aber“) schwächt die Wirkung.
Ihr Michael Moesslang
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