Lena siegt in Oslo, mit Fussball sieht es (noch) gut aus, wir haben eine neue First Lady, deren Eleganz und Äußeres schon mit Michelle Obamas und Carla Brunis verglichen wird. Und jetzt erfragt auch noch die BBC, dass Deutschland das sympathischste Land ist. Deutsche beliebt im Ausland? Und das bestätigen auch noch ausgerechnet die Engländer?
Im aktuellen Focus 27/10 wird die Umfrage zitiert, nach der 30.000 Menschen in 28 Ländern befragt wurden. Dabei bewerten uns diese mit 59 Prozent positiver Einschätzung auf PLatz 1 vor Japan und Großbritannien. Doch die Selbsteinschätzung der Deutschen, die sich gerne dafür schämen, wie sehr sich andere Deutsche im Urlaub verhalten, sieht uns ganz woanders. Unser Eigenbild: wir reservieren mit Handtüchern Liegen, zeigen ungeniert unsere nackte „Bierplautze“ (dieser Begriff ist ebenfalls aus einem Focus-Artikel, ich vermute, Plautze bedeutet Bauch) oder andere Körperteile, die besser verdeckt wären, tragen Socken in Sandalen, das Handy am Gürtel, sind laut, saufen uns ins Koma (nicht nur am Ballermann) und beschweren uns viel. So meckern und jammern die Deutschen gerne und hassen vor allem eines: dass die Deutschen meckern und jammern.
Ganz anders werden wir wahr genommen. Allem voran stehen immer noch die Tugenden Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Reinlichkeit, Ordnungsliebe und Genauigkeit. Positiv wird auch gesehen, wie sehr wir uns um die Umwelt bemühen, sauber sind, Abfall vermeiden und Dinge recyceln. Unsere Kinderstube gilt als weit besser, als wir es selbst einschätzen. Die deutschen Produkte tragen am meisten dazu bei, dass wir positiv gesehen werden: hochwertige Qualität, anspruchsvolle Marken, bei Autos vor allem schnell und luxuriös. Insbesondere die Tatsache, dass wir kein Tempolimit haben, ist überall weiterhin bekannt und wird durchwegs positiv gesehen. Nur bei uns nicht, weil es immer noch Menschen gibt, die hierin ein Umweltvergehen sehen wollen. Und die deutsche Politik? Auch wenn Merkels Image momentan langsam zerbröselt, wie ein Ytong-Stein (und das nimmt auch schon das Ausland wahr), Merkel und Köhler haben einige sehr positive Akzente gesetzt in den letzten Jahren.
Komisch finden dagegen viele an den Deutschen, dass sie klar und deutlich „Nein“ sagen, auch gegenüber Vorgesetzten. Das gibt es so nirgends. Selbst in anderen Europäischen Ländern wird ein Nein immer höflich umschrieben, Kritik sowieso nicht an Vorgesetzten geübt. Besonders aber im arabischen oder asiatischem Raum kommt das überhaupt nicht an und so fallen wir mit unserer Direktheit immer wieder auf. Auch die strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben wirkt auf viele andere Kulturen befremdlich und steif.
Interessant sind einige Aussagen darüber, was ankommt auch für unser eigenes Verhalten und unsere Wirkung: vieles in und an und an der deutschen Denke ist immer noch provinziell. Der Deutsche versucht alles zu planen, statt etwas zu wagen. Er versucht, nicht aufzufallen oder aus der Reihe zu tanzen. Kleindenkerei und Bescheidenheit sind beliebter im Volk, als Mut und die Fähigkeit zu führen. Wer auffällt wird beneidet und ist zumindest suspekt. Leistung wird nicht anerkannt – weder vom Staat noch von den Kollegen. Wer mehr tut oder hat, läuft Gefahr, missachtet zu werden – wenn nicht Schlimmeres.
Mir stellt sich die Frage: Wie wollen wir uns selbst wirklich sehen und was bedeutet das für den Einzelnen? Wollen wir uns immer noch kleiner machen? Nach dem Motto alle müssen gleich sein; und weil gleich erfolgreich nicht geht, dann eben alle gleich klein? Oder wollen wir nicht unsere sprichwörtliche Disziplin und den Leistungswillen der Aufbaujahre wieder zurück. Bewegen statt Bewahren. Visionen statt Jammern. Feiern satt beneiden.
Bescheidenheit mag beim Volk ankommen. Und bei denen, die über uns entscheiden, Vorgesetzte, Kunden etc.? Wer voran kommen will, muss sich, seine Leistung und sein Können verkaufen können. Zumindest im Beruf.
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