Schäuble benimmt sich daneben und sein Körper verrät viel. Politiker sind ja auch nur Menschen. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen stehen sie nunmal viel stärker unter der Beobachtung der Öffentlichkeit. Das gilt erst Recht für Pressekonferenzen. Und das weiß Bundesfinanzminister Schäuble ebenso, wie einst Westerwelle und viele andere ihrer Kollegen. So geht es nunmal nicht.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäubles Pressekonferenz zur Steuerschätzung fand vor rund 50 Journalisten statt. Sein Sprecher Michael Offer, eröffnet die Pressekonferenz und sagt, die Zahlen seien verteilt. Da dies nicht so ist, legt Schäuble los und weist seinen Mitarbeiter vor laufender Kamera zurecht. Beim Versuch einer Erklärung unterbricht der Bundesminister seinen Sprecher mit den Worten: „Herr Offer, reden Sie nicht, sorgen Sie dafür, dass die Zahlen jetzt verteilt werden.“ Dann wird die Konferenz um 20 Minuten vertagt.
Wenn ich mir den ganzen Auftritt so anschaue, dann ist Schäuble bereits beim Eintreffen in einer eigenartigen Stimmung, macht ein grimmiges Gesicht. Schäuble ist für Launen und Macht-Habitus bekannt. Er motzt über seinen Platz am Tisch, er ist zynisch und lacht dabei, greift bald zum Wasserglas. In diesem Falle keine Geste der Macht sondern der Unsicherheit.
Ich bin mir sicher, da ist hinter den Kulissen weitaus mehr vorgefallen. Ob dies nur Offer betrifft, oder ob Schäuble mehr Ärger hatte, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ob Offer also das zufällig parat sitzende Opfer ist oder Schäuble zu einem vorangegangenen Streit der beiden nachlegt, kann die Aufnahme nicht erklären. Schäubles Körpersprache zeigt, dass er sich weit überlegen fühlt, er unterbricht ständig, er lächelt zynisch, grinst, und macht aus dieser Position alles madig, was ihm gerade einfällt. Eben den Tisch, später sogar die Journalisten: „Mir ist’s egal … im Gegensatz zu Ihnen habe ich ja Zeit.“ Zwischendrin verlässt der Minister den Raum. Danach kommt er zunächst alleine zurück und sagt – quasi in Richtung Journalisten – „Kann mir mal einer den Offer herholen“. Patriarchisch ohne „Herr“. Dann kommt ein direkter Vorwurf an Offer: „Wir warten noch bis der Herr Offer da ist, er soll den Scherbenhaufen schon selber geniessen.“ Offensichtlich ist mit Scherbenhaufen das Resultat der Arbeit Opfers gemeint. Später gesteht er sogar: „Ich habe wieder meine spöttische Seite.“ Zumindest versucht er damit den Überlegenen zu geben.
Gleichzeitig fühlt sich Schäuble auch nicht wohl dabei, denn er merkt wohl schnell, in was er sich da hineingeritten hat. Er bewegt sich unruhig vor und zurück mit vielen kleinen Verlegenheitsgesten, fasst sich beim Sprechen an die Zähne oder stützt seinen Kopf auf seine Faust. Er meidet Blickkontakt mit den Journalisten, er unterbricht Offer – vermutlich um diesem keine Chance zu geben zu kontern. Dieser dagegen macht weiterhin einen unterwürfigen Eindruck, so als würde er selbst bei noch härteren Angriffen seines Chefs nicht die Façon verlieren oder sich vergessen. Er ist als Pressesprecher Vollprofi und weiß, wie die Presse reagieren wird. Leicht hat er es nicht in diesen Momenten. Ideal reagiert hat er trotzdem nicht, denn er versucht die Angriffe seines Chefs nur zu ignorieren und möglichst sachlich weiter zu machen.
Offer wird behandelt wie ein Praktikant. Diese Arroganz und Überheblichkeit, die zwar Schäuble mit Zynismus zu tarnen versucht, wirken befremdlich. Der Minister macht sich dadurch alles andere als beliebt. Die Reaktionen bei der Opposition, der Bevölkerung, im Web und der Presse sind entsprechend heftig.
Mittlerweile ist Herr Offer zurückgetreten. Zurecht. Er wirft dem Chef mangelndes Vertrauen in ihn vor.
Es kann einfach nicht wahr sein, dass Schäuble einen Mitarbeiter derartig abfertigt und ihn so ins Messer laufen lässt. Er ist auch viel zu alt, er sollte endlich abdanken.
Kommentiert von: Tanja | 15. November 10 um 13:31 Uhr