Über musikalische Qualitäten will ich mich ja nicht auslassen – Lenas Songs waren mein Geschmack noch nie. Mit Ihrem 10. Platz hat sie sogar im zweiten Anlauf offensichtlich viele Menschen überzeugt. Lena gilt dabei vielen als Inbegriff für Authentizität. Ja, aber …
Im Vorfeld des Eurovision Song Contest gab Lena Frank Elstner ein Interview. Wobei ich es nicht mal als Interview bezeichnen würde. Offensichtlich mögen sich hier zwei nicht. Sie fällt ihm ins Wort, korrigiert ihn rüde und hat einen schlicht unfreundlichen, arroganten Ton. Frank Elster bleibt seriös, lässt sich nicht auf die aggressive Art ein, Lena Meyer-Landrut zeigt unprofessionell schlechte Laune.
Und wie ist das jetzt mit der Authentizität? Ja, sie ist authentisch. Sehr sogar. So authentisch, dass sie auch einem Millionenpublikum vor so einem wichtigen Auftritt, ihre wahre, echte Lena zeigt. Denn authentisch heißt echt und das bedeutet streng genommen, zu zeigen, wie man sich fühlt, wen man mag oder nicht mag, sagen was man denkt und die nonverbale Kommunikation zeigen, die man eben so hat. Das alles tut Lena. Das kommt an, zumindest teilweise. Ihre Körpersprache erinnert zwar an ein kleines Mädchen, das dringend Pipi muss. Knie zueinander, Fußspitzen ebenfalls nach innen gerichtet. Doch darin erkennt sich die breite Menge, irgendwie. Das ist ein Mädchen von nebenan aus der Klasse 9c.
Authentizität bedeutet aber auch, dass Lena Frank Elstner ihre schlechte Laune zeigt. Und dabei noch dem Publikum ihre schlechteste Seite. Auch in anderen Interviews und Pressekonferenzen antwortet sie wenig auf Wirkung bedacht. Sie sagt gerne was sie mag, ob es gut ist oder nicht. Sie antwortet zu kurz oder rotzfrech. Das mag den ein oder anderen freuen, der gerne – ein bisschen anarchistisch – die Andersartigkeit schätzt. Stellen Sie sich vor, sie würde so ein Unternehmen repräsentieren, ein Produkt verkaufen oder Menschen überzeugen wollen. Ach, das ist ihre Aufgabe? Ja, auch als Sängerin sind genau das ihre Aufgaben: sie repräsentiert das ganze Produktionsteam, sie verkauft einen Song und sie will die Fans überzeugen.
Ich erkläre mir den Erfolg mit dieser durchaus authentischen Frechheit. Doch einen langfristigen Erfolg sehe ich nach wie vor nicht. Opel hatte zwar Lena mal für ihre Werbung gebucht, doch die Werbemillionen werden Lena mit dieser Art weitgehend verwehrt bleiben. Viele potentielle Fans auch.
Im Gegensatz zu Lenas „natürlicher Authentizität“ empfehle ich die „professionelle Authentizität“, die die meisten Profis an den Tag legen. Dabei wird bewusst ein Image mit dem dazu passenden Auftreten erzeugt oder unterstützt. Zeigen Sie sich von Ihrer besten Seiten, Ihre Stärken im Vordergrund, und achten Sie auf die bestmögliche nonverbale Kommunikation. Professionelle Authentizität ist darauf ausgerichtet, die größtmögliche Wirkung zu erzielen und dabei vollkommen authentisch zu wirken.
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Lieber Herr Schrage,
Danke für Ihre Einschätzung. Ich kenne Frank Elstner und Lena Meyer-Landrut nicht persönlich und gehe hier von der Wirkung in den Medien aus.
Wenn Frank Enlstner Ihrer Meinung nach unsympathisch und durchschaubar ist, dann ist er sicher nicht „professionell authentisch“, höchstens professionell in seinem Job ohne sich wirklich für die Menschen zu interessieren. Mag sein, doch „professionell authentisch“ bedeutet nach meiner Definition, dass jemand die Wirkung erzeugt, die er beabsichtigt und dabei authentisch wirkt. Ich vermute nicht, dass Frank Elstner unsympathisch und durchschaubar zu sein.
Ich stimme Ihnen auch gerne zu, dass Frechheit sympathisch sein kann – bin ich auch manchmal – wenn es wertschätzend und höflich anderen gegenüber bleibt. Im Video ist Lena Meyer-Landrut einfach nur pampig und zeigt offen, dass Ihr Frank Elstner (oder die Situation?) auf die nerven geht. Das darf Sie meines Erachtens gegenüber ihren Fans nicht und macht Sie den Nicht-Fans gegenüber noch fremder.
Mit herzlichen Grüßen,
Michael Moesslang
Kommentiert von: Michael Moesslang | 15. Mai 11 um 12:25 Uhr
Hallo, ich hatte selbst schon mal eine Begegnung mit Frank Elstner. Da war ich der Interviewer. Ich fand ihn damals ausgesprochen unsympathisch, weil "professionell authentisch" auf eine sehr durchschaubare Art.
Insofern kann ich Lena verstehen. Sie selbst hat sich aber, wenn ich da ans letzte Jahr denke, sehr zu ihrem Nachteil verändert.
Eine offene, schnoddrige Art gefällt mir. Aber ein bisschen Höflichkeit anderen gegenüber darf schon auch sein. Nur so wird m. E. Frechheit sympathisch.
Einen Beitrag zum Eurovision Song Contest habe ich auch geschrieben. http://blog.nn-online.de/hirnduebel/2011/05/15/ausgerechnet-aserbaidschan/
Kommentiert von: Klaus Schrage | 15. Mai 11 um 11:42 Uhr