Oje, da bin ich ein paar Tage im Urlaub (wo ich keine News lese oder höre) und als ich zurück komme, hat sich Heiner Geißler ein Ei gelegt. Ein dickes Wirkungs-Ei. Erst als Schlichter bewundert, nun durch sein Totaler-Krieg-Zitat an Achtung verloren: Darf Heiner Geißler diese Worte nutzen?
Aber einen – zugegeben unsinnigen – Kampf gegen die Deutsche Bahn mit einem Nazi-Krieg zu vergleichen und dazu das berühmteste Goebbels-Zitat zu verwenden ist im Sinne einer persönlichen Wirkung und Ethik unmöglich! Ein derartiges Zitat mag noch in den Siebzigern und Achtzigern zu Kultstatus in der Werbung getaugt haben. Damals hat Maoam im Werbespot als eindeutige Anspielung auf Goebbels Rede im Sportpalast rufen lassen: „Was wollt Ihr denn?“ und die Antwort des Stadion-Publikums war: „MA-O-AM“ (Maoam gehörte damals noch nicht zu Haribo, die jedoch nun diese Idee wieder aufgenommen haben). Doch heute sind Volk und Medien wesentlich empfindlicher geworden. Ein Nazi-Vergleich ist nirgends angebracht.
Wenn Sie das Video gesehen haben, erkennen Sie aber auch, wie Geißler es rhetorisch verwendet: als Nebensatz und Zitat und nicht als direkte Frage und Ausruf. Insofern hat er es meines Erachtens nach bewusst gewählt und eben als Kontra-Punkt zur Nazi-Terminologie. Er wollte an die pazifistische Seele der (kämpferischen!) S21-Gegner appellieren – und keinesfalls ein „Ja!“ zur Antwort. Er appelliert an die Gegner, den Streit friedlich zu regeln. Übrigens reagierte im Publikum niemand empört auf den Spruch, das kam erst später.
Heiner Geißler hat aber nicht nur den Fehler gemacht, das Zitat zu verwenden. Jedem kann es passieren, dass einem der Geduldsfaden reißt und man bei derart unbeweglichen Verhandlungspartnern eine etwas unbedachte Rhetorik an den Tag legt. Doch dann gilt eines: sofort zurückrudern und sich entschuldigen. Das hat Geißler nicht getan. Zunächst wollte er das Zitat nicht gekannt haben (was niemand glauben kann) und dann habe er „bewusst zuspitzen“ wollen und weitere unsinnige Vergleiche angeführt.
Manchmal sind drastische Worte angebracht, manchmal muss in Verhandlungen Klartext geredet werden. Aber bitte, Herr Geißler, nicht mit Zitaten aus der Nazi-Zeit. Das ist Ihrer Wirkung und Selbst-Präsentation so gar nicht zuträglich! Und: liebe Menschen da draußen und liebe Medien, Herr Geißler wollte hier niemanden mit Nazis vergleichen (wie es damals Brandt getan hat).
Eines liegt mir noch sehr am Herzen: Im YouTube-Video sind Logos der S21-Gegner eingeblendet, ein anderes konnte ich nicht finden. Ich halte es jedoch mit der Mehrheit der Baden-Württemberger und Stuttgarter, denn rund die Hälfte ist für den Bahnhof, nur knapp ein Drittel dagegen. Und wer viel mit der Bahn reist, wie ich, der ist froh, wenn die Strecke nach Stuttgart und Frankfurt um 45 Minuten schneller wird.
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