Bewegt habe ich vor einigen Tagen den Kampf zwischen Roger Federer und Andy Murray auf dem Rasen von Wimbledon um die begehrte Trophäe verfolgt. Und den großartigen Roger Federer fantastisch triumphieren sehen. Hier nicht zu gewinnen war logischerweise eine immense Enttäuschung für den Schotten Murray. Das gesamte Königreich hatte gezittert, ihn unterstützt, mitgefiebert. Und wieder einmal gelang es ihm nicht, in einem Finale zu gewinnen.
Worüber ich hier nachdenke, ist die Wirkung von Andy Murray zum Zeitpunkt seiner Rede, als er die Trophäe des Zweitplatzierten annahm. Murray konnte nämlich zuerst gar nicht reden. Er weinte, es versagte ihm die Stimme, die Reporterin sagte nur ein wenig hilflos “Take your time”. Die Freundin oder Ehefrau von Murray brach währenddessen auf der Tribüne fast zusammen, auch sie schluchzte heftig. Man konnte ihr ansehen, sie weinte aus der Ohnmacht heraus, ihn so hilflos seinen Emotionen ausgesetzt zu sehen, ohne etwas tun zu können. Schließlich gelang es ihm, einige Worte zu finden, bevor er den Platz verliess.
Emotionale Szenen dürfen sein. Ich kann sie menschlich sehr gut nachvollziehen – und das Publikum offensichtlich auch. Natürlich drängt sich mir die Frage auf: Wird ein Mann, der von seinen Emotionen so übermannt wird, dass er kaum zusammenhängende Worte formulieren kann, jemals die mentale Kraft für einen goßen Finalsieg haben? Die Wirkung, die er durch seinen Beinahe-Zusammenbruch erzeugt hat, lässt diese Gedanken zu.
Es zeigt wieder einmal, wie wichtig unsere Körpersprache, unsere Rhetorik, unsere Souveränität für uns selbst ist. Dass man nach einem verlorenen Wimbledon-Finale nicht hochmotiviert vom Platz eilt, ist klar. Doch kan ich vermuten, dass die Gedanken und Emotionen, die sich hier entladen, ihn schon beim Spiel behindert haben.
Welche Emotionen sind gut?
Dass positive Emotionen, wie Begeisterung, Leidenschaft, Freude und dergleichen nicht im Verborgenen bleiben sollten, ist klar. Emotionen stecken an und tragen einen großen Teil zur Überzeugung mit. Doch wie sieht es mit Trauer, Verzweiflung oder Enttäuschung aus?
Abgesehen von der sportlichen Stärke und dem Einfluss seiner Emotionen auf seine Leistung – wie ist die Wirkung starker Emotionen eines Redners aufs Publikum? Was passiert, wenn ein Sportler, Schauspieler (Halle Berry bei der Oscar-Verleihung vor einigen Jahren) oder einer von uns bei einer Rede weint? Ich hatte schon mehrmals im Coaching Klienten, die Angst davor hatten, bei bestimmten Themen in Tränen auszubrechen. Darf das passieren?
Nun, das Publikum hat bei Murray – das hat man in den Nahaufnahmen gesehen – fast selbst angefangen zu weinen. Und das Publikum hat – auch das war zu sehen und zu hören – Sympathie bekundet. Es hat Murray als Mensch sicher nicht geschadet. Und wie ist das bei einem Redner in der Wirtschaft? Wie ist das, wenn ein CEO bei einer Ankündigung oder Pressekonferenz zu weinen beginnt?
Da ist Stärke gefragt, Souveränität und das Übernehmen von Verantwortung. Und doch geht es meiner Meinung nach durchaus – egal ob Mann oder Frau. Doch es hängt von Inhalt und Situation ab. Wenn der CEO einer Firma eine Pressekonferenz zu einer Katastrophe gibt (brennende Ölplattform, Flugzeugabsturz …), dann kann er sicher nicht weinen, wenn es um die Verantwortung geht, wenn es um die gemachten Fehler geht, wenn es um Lösungsangebote und die Folgen geht. Wenn er dagegen von den Toten spricht und es ist (echte!) Anteilnahme zu spüren, dann halte ich das für angemessen. Auch wenn Tränen fliessen. Auch Politiker hatten bei ihrer Verabschiedung oder großen, bewegenden Momenten schon Tränen in den Augen. Das macht nicht nur menschlich, das berührt das Publikum und die Wähler.
Heulen aus Verzweiflung dagegen ist ein großes Zeichen von Schwäche. Es ist selten angebracht, auch wenn es verständlich sein mag. Bei Murray war es vermutlich Enttäuschung und vielleicht ein wenig Wut auf sich selbst. Im Sport verständlich, im Business ist Souveränität gefragt. Und was auch gar nicht akzeptiert wird ist Schadenfreude. Erinnern Sie sich noch daran, als Josef Ackermanns zum Victory-Zeichen erhobene Finger im Mannesmann-Prozess als solche ausgelegt wurden?
Bei meinen Klienten, die glaubten, keine Tränen zeigen zu dürfen, ging es beispielsweise um eine lebensbedrohende Situation oder um eine besondere Beziehung zum Erfolg des (eigenen) Unternehmens. Es waren Momente, in denen Tränen fliessen dürfen, solange sie glaubwürdig und nicht berechnend wirken.
Dankesreden sind nunmal emotional
Als Experte für Wirkung kann ich allen Finalisten, Nominierten für Preise und Teilnehmern an Wettbewerben mit Siegeschancen nur dringendst anraten, immer, und zwar wirklich immer, für den Fall des Gewinnes wie auch des Verlierens jeweils eine kurze Dankesrede einzustudieren. Und zwar wirklich zu studieren, sodass man sie auch in Momenten höchster Emotion – positiver wie negativer – jederzeit verlässlich abrufen kann.
Um dabei souveräner zu werden, eignet sich die Lampenfieber-Technik des Dissoziierens am besten. Sie finden sie hier: Meine Lieblingstechnik gegen Lampenfieber.
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Schließlich bringt Sport viele Emotionen. Vor allem, als man selbst der Streß und die gute und wichtige Fitneß für die Gesundheit sportlich ist.
Kommentiert von: binäre optionen | 15. Dezember 12 um 15:43 Uhr