Bono beginnt mit einem Gag, der auf das Englisch–Irische Verhältnis anspielt: Chris Anderson, der Gastgeber bei TED, ist Engländer, Bono ist Ire. Dabei macht er – vermutlich unbewusst – eine Arroganz-Geste: Er reibt sich erst kurz mit seiner rechten Hand die Nase und hebt diese dann, hebt auch die Augenbrauen, und dreht sein Gesicht mit zusammengepressten Lippen einmal von der einen zur anderen Seite. Er lässt sich also für diesen Gag bewundern und triumphiert darüber, dass gelacht wird. Das ist okay für einen wie Bono – und er tut dies als Ire. Zumal er danach selbstironisch eine Retourkutsche von Chris nennt.
Danach beginnt er mit einem Rückblick auf Ägypten vor 3000 Jahren. Das ist ein geschickter Zug, denn zum einen baut er so eine Geschichte ein, zum anderen zieht er eine Parallele zum Arabischen Frühling und der heutigen Situation in Ägypten. Er arbeitet mit wörtlicher Rede und hierbei sieht man, dass Bono ein Bühnen-Profi mit fast schauspielerischen Qualitäten ist. Schließlich ist er es durchaus gewohnt zigtausende Fans in den größten Stadien der Welt zu begeistern. Was sind da schon ein paar hundert bei TED?
Er bleibt also sehr gelassen und ruhig, nutzt Pausen und erzeugt mit seinen Worten und der Art, wie er sie spricht, Wirkung. Er zieht dann den Bogen rüber zum Arabischen Frühling und platziert einen weiteren Gag: nachdem er das heilige Buch der Juden vor 3000 Jahren ins Spiel gebracht hat, folgt nun das „andere Buch“, genannt Facebook. Der Gag funktioniert aber nicht, das Publikum reagiert nicht. Der einzige, der lacht ist er selbst. Schade, aber hier hat er den Gag nicht klar genug herausgearbeitet und Facebook als Begriff nicht wirkungsvoll genug performed.
Danach bringt er als Zusammenfassung die Pyramiden ins Spiel, die er als Symbol nimmt: Die Umkehrung der Pyramide hat das Volk ermächtigt, das nun oben an der breiten Seite steht, die Zukunft zu bestimmen. Dieses Thema wird er im Schlusssatz aufgreifen.
Gut gefällt mir seine Überleitung vom Ägypten-Thema zu den Fakten. Er nutzt hier sein Image und seinen Beruf: Vergesst die bombastische Show und den Rock, die normalerweise meine Überzeugungstricks sind. Heute überzeuge ich mit Fakten. Und als er dann noch sagt, er hat heute seinen „inneren Nerd“ hervorgeholt (da lacht sogar jemand zaghaft) und den Rockstar zuhause gelassen, dreht er symbolisch seine Brille, sein Markenzeichen um und setzt diese verkehrt herum auf. Der Gag zieht jetzt! Selbstironie kommt besser an, als die Arroganz, die während dem Vortrag durchaus aus seinem Körper spricht.
Der nächste Gag, der ankommt ist, dass er sich vom „Activist“ zum „Factivist“ macht.
Jetzt wird er auch plötzlich viel dynamischer, legt die Arroganz etwas ab und nutzt trotzdem weiterhin eine wirkungsvolle Sprechweise mit schönen Pausen und Betonungen.
Es kommen Folien ins Spiel, die durch ihre Animation durchaus bestechen. Sie sind auch elegant gestaltet. Allerdings sind viele Beschriftungen viel zu klein und hätten einfach weggelassen werden können. Die Botschaft entsteht ohnehin durch die Animation und Bonos Worte. So eindrucksvolle Ergebnisse, und so viele in so kurzer Zeit präsentiert, überzeugt. Wichtig dabei: Bono geht nicht in die Details (wie das leider viele in so einer Situation versuchen). Er fasst zusammen und macht schnell. Denn die Zahlen braucht sich ja niemand zu merken. Die Animationen und Bonos Worte leiten die Aufmerksamkeit des Publikums genau richtig. Es geht nur darum zu beeindrucken und zu zeigen, welche Fortschritte der Kampf gegen Armut in den letzten 25 Jahren schon gemacht hat. Fortschritte, die keiner erwartet hätte. Ich zumindest nicht, Sie?
Er versteht es auch, die Zahlen anschaulich zu machen, als er beispielsweise herunter rechnet, wie viel weniger Kinder pro Tag sterben: 7256! Diese Zahl erntet auch verdienten Applaus. Und Bono zeigt sich begeistert: „Wow! … Wow!“ Der emotionalste Moment, unterstützt durch zwei Fotos von zwei Kindern, Michael und Benedicta und danach von deren Ärztin.
In diesem Stil geht es weiter und das nächste Highlight ist die Halbierung der in Armut lebenden im Zeitraum 1990 bis 2010, also binnen 20 Jahren. Sehr gut gefällt mir der Satz: „And this is not just data, this is everything!“
Er spielt wieder schön mit Arroganz, Übertreibung und auch Selbstironie (bei 8:10) als er sich ironisch mit Jesus vergleicht und durch eine kleine Geste mit den Fingern dafür Applaus einfordert.
Auch der Rolling Stones-Farewell Tour-Gag ist frech und sympathisch.
Er gibt dann Anweisungen ans Publikum, was jeder einzelne tun kann. Konkret und klar.
Sehr schön auch sein Schluss-Plädoyer mit dem Zitat von Wael Ghonim (ein Aktivist vom Tahir Platz) dessen Worte Bono metaphorisch als „tattooed on my brain“ bezeichnet. Wael hat hier eine schöne Anapher verwendet. Und Bono zeigt Emotionen. Dann sein Schlusssatz: „Wael is right. We’re going to win, if we work together as one because the power of the people is so much stronger than the people in power.“ Die Macht des Volkes ist so viel stärker als die Menschen and er Macht.
Kritik: Kaum! Etwas festeren Blickkontakt, eine Zeit hakt er Mal seine linke Hand in die Hose, was überhaupt nicht zu seinem selbstbewussten Auftreten passt und auch Wirkung nimmt. Ansonsten kann man es kaum besser machen. Die Arroganz sei ihm verziehen, da sie zu ihm passt und vermutlich durch die gewohnten Riesen-Bühnen entstanden ist, wo Bewegungen durchaus etwas anders zu machen sind (und das Publikum höher sitzt).
Fazit: Ein Bühnenprofi, der seine Bekanntheit gut nutzt um eine wertvolle Botschaft zu vermitteln. Bono weiß, wie man Menschen erreicht. Wer weiß, dass diese guten Nachrichten nicht zu zufriedenem Zurücklehnen aufrufen, sondern mit einem „jetzt erst Recht!“ die Menschen motivieren, weiter zu kämpfen.
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