Obama in Berlin, Obama am Brandenburger Tor, Obama als dritter US-Präsident und als erster, der auf der Ost-Seite stehen darf. Die Erwartungen sind groß, nachdem Senator Obama vor 5 Jahren noch als Präsidentschaftskandidat die Berliner an der Siegessäule begeisterte. Doch die Erwartungen werden nicht erfüllt.
Doch es ist nicht nur der Inhalt, der enttäuscht. Barack Obama kämpft, auch wenn man kaum merkt, woran es liegt. Da ist zum einen die Hitze, die er als Amerikaner sicher kennt, die aber das gewählte und kleine Publikum (nur 4000) stundenlang aushalten muss. Es leidet darunter. Der Jubel hält sich sicher auch deshalb in Grenzen, weil es schlicht zu heiß dafür ist. Obama selbst entledigt sich schnell seines Jacketts und redet im Hemd weiter.
Der entscheidende Punkt, warum seine Rede nicht wirkt, ist jedoch ein anderer. Wenn wir Obama bei seinen großen Reden sehen, dann gibt es eine bestimmte Technik, die dazu führt, dass wir Obama als sehr präsent, sympathisch und emotional erleben. Diese Technik kommt in Berlin nicht zum Einsatz und deswegen fehlten genau diese Aspekte bzw. waren schwächer.
Manuskript und der Aufbau der Kameras
Bei seinen offiziellen Auftritten oder Wahlkampfreden steht die Kamera immer exakt gegenüber von Obama. Obama steht mit erhobenen Kopf da und es wirkt, als schaue er jeweils links und rechts in die Publikumsmassen. Tatsächlich gilt sein Blick den beiden Telepromptern, die links und rechts vom Pult stehen, von der Kamera aber nicht eingefangen werden. Diese „Presidential Teleprompter“ sind einfache Glasscheiben, auf die ein Text projiziert wird, den nur der Redner lesen kann. Das Publikum sieht sie fast gar nicht. So entsteht diese sehr präsente Wirkung und der Eindruck, Obama ist stets beim Publikum.
In Berlin stehen diese Teleprompter auch. Warum Obama diese kaum nutzt, ist nicht zu erkennen. Technischer Defekt meldet die Presse. Er liest von einem Text ab, der sich auf dem Pult befindet. Und das fällt ihm schwer – vermutlich braucht er zum Lesen eine Brille. Nicht nur, dass er manchmal die Sätze nicht richtig betont. Er setzt die Pausen falsch. Er betont relativ häufig die falschen Satzteile. Vor allem muss er zum Lesen sehr häufig den Blick senken. Dadurch fehlt diese sonst so deutliche Präsenz. Er wirkt auf den Text konzentriert, statt aufs Publikum.
Die Kameraführung ist auch eher der übliche Standard – statt Obama-Standard. Der Blick geht häufig und lange ins Publikum oder über Berlin. Ich habe den Eindruck, es ist ein deutsches Kamerateam, das insbesondere die Internationalität betonen will und gerne auf Farbige aus allen Erdteilen zoomt. Obama selbst wird aus verschiedenen Perspektiven gezeigt. Zeitweise hören wir den Präsidenten sprechen, sehen aber lange andere Motive. Auch das mindert die Präsenz.
Obamas Körpersprache
Sicher macht Barack Obama sich beliebt, als er recht bald das Jackett auszieht und formell anderen gestattete, ihm dies gleich zu tun. Das kommt an in Berlin und bei der Hitze. Auch bei der direkten Ansprache Merkels, Wowereits – die einzigen beiden, die neben Obama hinter der Panzerglasscheibe sitzen dürfen – oder bei jeder Nennung von Berliner Objekten oder deutschen Wörtern kommt Jubel auf.
Seine Gestik ist nicht deutlich anders als sonst. Sie ist stets souverän. Vielleicht sind die Gesten etwas kürzer als sonst. So als sei er müde und schwach durch die Anstrengungen und die Hitze. Doch was diesmal wirklich anders ist, ist sein Blickkontakt. Der geht viel zu oft nach unten. Er blickt auch ab und zu nach rechts oben, wohl Richtung Hotel Adlon – was immer da sein mag. Und er dreht den Kopf oft nach rechts, so als wolle er Frau Merkel auch noch mit einbeziehen. Später nutzt er sogar mehr und mehr seinen rechten Teleprompter. Seiner linken Seite dagegen schenkt er nicht einmal seine Aufmerksamkeit. Für den Betrachter der Fernsehbilder fehlt der Kontakt völlig.
Rhetorische Figuren und Wortwahl
Mein Eindruck ist, dass diese Rede nicht an die Deutschen gerichtet ist, sondern an die Amerikaner. Die Inhalte sind auf seine Nation abgestimmt, viele Themen für uns Deutsche nicht relevant oder sogar heikel (beispielsweise als er Drohnen anspricht). Wenn ich die Wortwahl mit anderen seiner Reden vergleiche, ist sie deutlich komplexer. Sie enthält schwierigere Wörter und die Sätze sind länger. Zweitweise liest er sehr lange Sätze einfach ab, macht keine Pausen, wie sonst, betont nicht. So kennen wir Obama nicht. Die Wirkung seiner Worte geht unter in – ja, fast schon Langeweile.
Eine solche Szene ist, als er über Klimawandel spricht und über die Folgen. Auch das liest er in einem Absatz runter. Er versäumt zu erwähnen, dass gerade eine große Flut durch Deutschland rollt. Er versäumt zu erwähnen, dass gerade Deutschland zu den „just some“ Nationen gehört, die sich vorbildlich um den globalen Klimaschutz kümmern. Er versäumt beim deutschen Publikum Punkte gut zu machen.
Wenn die Zielgruppe keine englischen Muttersprachler sind, muss die Sprache eher einfacher sein, damit sie möglichst verständlich ist. Obama machte das im Wahlkampf, wo er auch die vielen Einwanderer Amerikas mit einbeziehen will. Obama macht das auch bei programmatischen Reden, wo er die Nation erreichen will. Warum macht Obama das nicht, wenn er vor Deutschen spricht, von denen einige vielleicht russisch statt englisch in der Schule gelernt haben?
Natürlich hat er Anaphern in seiner Rede, also mehrere Sätze nacheinander, die mit den gleichen Worten beginnen – oder Epiphern, wo die Wiederholung am Ende steht: “Our values won. Openness won. Tolerance won. And freedom won here in Berlin.” Oder Trias, Dreieraufzählungen. Er verwendet Bilder und Metaphern, setzt Kontraste. Das können seine 17 Redenschreiber. Doch der große Wurf ist ihnen diesmal nicht gelungen. Berlin war ihnen vielleicht nicht so wichtig, wie andere Termine Obamas. Das Zitat, das an „Ich bin ein Berliner“ anknüpft, fehlte.
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